Textatelier
BLOG vom: 10.08.2008

Die Faszination Gewitter ist oft auch von der Angst begleitet

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich-Altstetten
 
Ich staune immer wieder, wie mir die Gefühlswelt ihre Erfahrungen aufzeigen kann.
 
In den ersten Tagen hier am neuen Wohnort in Zürich-Altstetten wurde ich früh morgens von Blitzen geweckt und von einem wuchtigen Donner erschreckt. Es war ungewöhnlich für mich, und ich begriff sofort, dass das Haus, in dem ich jetzt lebe, ganz andere Eigenschaften besitzt. Das Bernoulli-Reihenhaus fing einen Donnerknall schwingend auf. Das wusste ich aber erst in diesem Moment, weil es sich am neuen Ort wie ein Erdbeben anfühlte. Die ganze Schwere der Betonmasse grollte, bewegte sich nur leicht hin und her. Es war etwas Dumpfes dabei, und ich sah vor den inneren Augen einen unendlich starren Block.
 
Wochen später bescherte uns ein aussergewöhnliches Gewitter wieder ganz andere Erfahrungen.
 
Es war Ende Mai 2008. Bei Sonnenuntergang baute sich das Gewitter auf. Ich sass in der Stube und schaute durch einen angrenzenden Raum zum Himmel. Dort zuckte es unaufhörlich. Primo beobachtete das Schauspiel anfänglich vom Balkon aus. Ich schaltete alle möglichen elektrischen Anschlüsse aus, und wir kamen überein, auch das Licht zu löschen, um alle Facetten des aufziehenden Natur-Schauspiels einzufangen.
 
In diesem Halbdunkel sahen wir die Zuckungen des Gewitters. Lichtfäden leuchteten nicht nur am Himmel auf. Sie schossen auch durch unsere Stube. Von Norden nach Süden verlaufend. Der dazugehörige grollende Donner, den wir wie den Lärm startender Flugzeuge wahrnahmen, dauerte eine ganze Stunde an. Aber nie folgte diesem Brummen der erlösende Knall.
 
Dann begann es zu regnen. Der Wind peitschte eine Wasserwand wellenartig an der Balkonfront vorbei. Es goss in Strömen. In der Toilette rumorte das Meteorwasser. Es windete und stürmte. Wir liessen die Rolläden herunter und verharrten, schon etwas besorgt, im Dunkeln.
 
Als es ruhiger wurde, öffneten wir die Fenster wieder und sogen die entspannte und gereinigte Luft ein. Es hatte eine Verwandlung stattgefunden. Wir atmeten auf. Den Blitzen gleich, verflüchtigten sich unsere bangen Gefühle. Nun war der Himmel Richtung Osten in ein türkisfarbenes Blau getaucht. Wunderschön klar. Richtung Schlieren allerdings war noch bedrohliches Grau auszumachen.
 
Ein solches Gewitter hatten wir beide noch nie erlebt. Seither messe ich alle nachkommenden an diesem grandiosen, aber auch Angst machenden Energiespektakel.
 
Jetzt bin ich gespannt, wie und wann sich meine Gefühlswelt in ähnlicher Situation wieder meldet und mir das beschriebene Erlebnis als Vergleich darstellt.
 
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